Bild: Von Hubertl - Eigenes Werk, CC-BY 4.0, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=36729791.jpg
Da ist dieses schlechte Gewissen, weil wir Oma schon seit einiger Zeit nicht mehr besucht haben. Aber uns fehlt momentan leider einfach die Zeit dafür, die Arbeit verlangt uns einiges ab und auch sonst geht es gerade hoch her. Also verbannen wir den Gedanken tief in unseren Hinterkopf und widmen uns wieder den Tücken des Alltags. Schließlich geht es ja auch nicht anders.
Zwei Monate später haben wir noch immer keine Zeit gefunden und plötzlich ist Oma tot.
Diese Geschichte ist so oder so ähnlich wohl schon unzählige Male passiert. Das Versäumnis zieht ein Gefühl tiefer Schuld nach sich. Natürlich war es keine Böswilligkeit, vielmehr wurden bloß aus Unwissenheit die falschen Prioritäten gesetzt. Und doch verstärkt das eigene Schuldbewusstsein den Schmerz über den Verlust um ein Vielfaches. Die Gelegenheit zu einer letzten Begegnung ist ungenutzt verstrichen und der Abschied so schrecklich abrupt.
Aber auch wenn keine direkte Möglichkeit der Wiedergutmachung besteht, so können Sie trotzdem etwas tun: nun für Oma da sein und sich liebevoll um die Einzelheiten der Bestattung kümmern. Zeigen Sie, wie wichtig sie Ihnen ist, auch wenn sie selbst es nicht mehr miterlebt. Machen Sie es für sich – um so zumindest im Nachhinein das Richtige zu tun. Ob sich das in einem aufwendigen Abschied äußert, bei dem Sie sämtliche Register ziehen, oder in kleinen, aber besonderen Gesten der Wertschätzung, das bleibt dabei ganz Ihnen überlassen. Machen Sie es so, wie es sich für Sie richtig anfühlt.
Und überhaupt: Wenn Sie zu Lebzeiten eines besonderen Menschen etwas versäumt haben, holen Sie es einfach nach. Schreiben Sie einen Brief an ihn, unternehmen Sie die Reise, von der Sie immer gemeinsam geträumt haben. Was auch immer Sie schon so lange verfolgt – tun Sie das, was Sie vorher nicht getan haben. Es wird Ihnen guttun. Denn für Gesten ist es nie zu spät.